Merseburg muss den Stillstand der kommunalpolitischen Arbeit überwinden

Kommunalpolitik

Vor genau einem Jahr fand die erste Stadtratssitzung nach der Kommunalwahl 2014 statt. Der CDU-Stadtrat Werner wurde zum Vorsitzenden gewählt. Er versprach, Vorsitzender aller gewählten Stadträte zu sein, ein Ratsinformationssystem zu etablieren und die erforderlichen Änderungen der Hauptsatzung und Geschäftsordnung des Stadtrates in Angriff zu nehmen, die durch das neue Kommunalverfassungsgesetz, welches seit 2014 gilt, erforderlich sind. Nach genau einem Jahr ist von den Versprechungen wenig umgesetzt: Ein Ratsinformationssystem ist nicht einmal in Ansätzen vorhanden und eine abstimmungsfähige Beschlussvorlage zu den Änderungen von Hauptsatzung und Geschäftsordnung liegt nicht immer noch nicht vor. Besonders hat die Fraktion SPD-Bündnisgrüne erschüttert, dass der Vorsitzende des Stadtrates es unterließ, das Wirken des verstorbenen langjährigen Stadtrates der SPD und Ortsbürgermeisters von Meuschau Gerd Seiffert zu würdigen, obwohl unsere Fraktion dieses erbeten hatte.

Zum Stichtag 1. Januar 2013 musste die Stadt Merseburg eine Eröffnungsbilanz nach der neuen kommunalen Haushaltsordnung aufstellen, die sich inhaltlich an die Bilanzen von Unternehmen anlehnt. Mehr als zwei Jahre nach diesem Stichtag ist eine Eröffnungsbilanz nicht einmal im Entwurf vorhanden. Mehrfach wurden die Termine von der Verwaltung verschoben, der zugesagte Termin im vierten Quartal 2015 wurde von der Stadtverwaltung kürzlich widerrufen.
Die Fraktion SPD-Bündnisgrüne musste darüber hinaus die gesetzlich vorgeschriebenen Mitwirkungsrechte des Stadtrates bei der Festlegung von Bewertungsparametern zur Eröffnungsbilanz selbst einfordern, da weder von der Stadtverwaltung noch vom Vorsitzenden des Finanzausschusses dazu irgendwelche Aktivitäten ausgingen. 

Ohne eine Eröffnungsbilanz und die daraus folgenden Jahresabschlüsse 2013 und 2014, ist es den ehrenamtlichen Stadträten kaum möglich, sich ein fundiertes Urteil über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Stadt Merseburg zu verschaffen. Wir gewinnen zunehmend den Eindruck, dass diesen Überblick weder der Oberbürgermeister noch seine Beigeordnete selbst haben. Nach Aufstellung der Eröffnungsbilanz und deren Prüfung durch die Kommunalaufsicht müssen dann umgehend die Jahresabschlüsse 2013 und 2014 aufgestellt und geprüft werden. 

 

Seit vielen Jahren mahnt unsere Fraktion im Finanzausschuss und im Stadtrat die Konsolidierung des städtischen Haushaltes an. 
Dazu die Fakten:

  • Die Stadt gibt schon seit vielen Jahren mehr aus, als sie einnimmt. Das kann man im Finanzhaushalt, der die Geldflüsse in der Stadt darstellt, unschwer erkennen.

  • Die finanziellen Rücklagen Merseburgs sind seit Jahren komplett aufgebraucht. Die Stadt kommt ohne Liquiditätskredite nicht mehr aus, da keine finanziellen Mittel mehr vorhanden sind.

  • Die Stadt schiebt seit vielen Jahren eine Bugwelle nicht umgesetzter Investitionen vor sich her. Die Haushaltsausgabereste sind schon oft Thema im Bauausschuss und Stadtrat gewesen.

  • In den Jahren 2013 und 2014 haben wir im Stadtrat auf Vorschlag des Oberbürgermeisters über 30 Mio. € Investitionen beschlossen. Davon sind bisher nur 20 Mio. € umgesetzt. 10 Mio. € sind noch offen.

  • Die Kämmerei musste in einem der letzten Finanzausschüsse offenbaren, dass diese offenen Investitionen so jetzt nicht umsetzbar sind, weil damit die Grenze der 8 Mio. Liquiditätskredite sofort überschritten würde. Deshalb machte es auch keinen Sinn, alle im Hauhaltsentwurf 2015 vorgesehen Investitionen zusätzlich zu beschließen.

  • Der kamerale Haushaltsabschluss (Schlussbilanz nach alter Haushaltsrechnung) 2012 wies schon ein Defizit von 929 Tsd. € aus. Für die Haushaltsausgabereste (Fremdmittel und Eigenmittel für noch nicht getätigte Investitionen) wurde ein Sonderposten in Höhe 6,4 Mio. € gebildet. Dieser Sonderposten erklärt auch den Finanzmittelbestand von 5,63 Mio. € am 1.1.2013. Ab dem 1.1.2013 wurden eine Reihe der anstehenden Investitionen (Eigenmittel & bereits vereinnahmte Fremdmittel) umgesetzt. Allerdings wurde das Geld nicht nur dafür ausgegeben. Es wurde auch als Liquiditätsreserve für die laufenden Ausgaben (Kredittilgung, Lohn- und Sachkosten) genutzt. Das allein wäre eigentlich kein Problem, wenn man die maximale Liquiditätskreditgrenze von 8 Mio. € fest im Blick gehabt hätte.

  • Tatsächlich ist allerdings das Stadtsäckel nicht nur leer, sondern auch die Liquiditätskredite haben 2014 schon einmal kurzfristig die 8 Mio. € - Grenze angekratzt, obwohl noch für 10 Mio. € beschlossene Baumaßnahmen offen sind. Vermutlich kann der Stadtrat nicht einmal einen Teil der beschlossenen Baumaßnahmen wieder streichen, weil die Stadt die vereinnahmten Fördermittel nicht zurückzahlen könnte.

  • Wir könnten den Liquiditätsabfluss nicht einmal stoppen, wenn wir die Investitionen für die Folgejahre komplett einstellen würden. Die Kämmerin hat wiederholt darauf hingewiesen, dass die Stadt Merseburg die Tilgung für ihre langfristigen Kredite nicht erwirtschaften kann. Die Kredittilgung für die rund 30 Mio. € langfristigen Kreditverbindlichkeiten beträgt trotz der Hilfen des Landes über das Stark II-Programm jährlich rund 2,5-2,7 Mio. €. Der Saldo aus laufender Verwaltungstätigkeit ist knapp 2 Mio. € niedriger. Daraus ergibt sich ein strukturelles Defizit von 2 Mio. €.

Die Stadt kann in den nächsten Jahren nicht weiter über ihre Verhältnisse leben. Wir können es uns nicht leisten jedem Fördermitteltopf hinterher zu hecheln, es ist Luxus, wenn wir Beschäftigte der Stadtverwaltung in die Altersteilzeit entlassen und im Nachgang die meisten Stellen schnell wieder besetzen und somit doppelte Personalkosten mit Hilfe von Liquiditätskrediten bezahlen. Es hat auch keinen Sinn, auf Wunder zu hoffen, etwa dass die Gewerbesteuern unerwartet steigen oder das Land, welches selbst einen rigorosen Sparkurs fahren muss, weil der Solidarpakt 2019 ausläuft, plötzlich einen unerwarteten Geldsegen über seine Kommunen ausschüttet. Wir müssen unseren Beitrag selbst leisten und den Haushalt endlich nachhaltig konsolidieren. Das erfordert ein gründliches Umdenken, vom Stadtrat über die Verwaltungsspitze bis hin zu allen Mitarbeitern der Verwaltung. Es kann nicht sein, dass die Kämmerei für das Sparen zuständig ist und alle anderen Handelnden für das Geldausgeben



Haushalt 2015
 
Die Vermutung der Fraktion SPD-Bündnisgrüne, der Haushaltsentwurf 2015 wird erst nach der Oberbürgermeisterwahl eingebracht, weil die Zahlen zu schlecht sind, hat sich bestätigt.
 
Auf Antrag unserer Fraktion wurde der Haushaltsentwurf vom Oberbürgermeister zurückgezogen, da der Entwurf weder zustimmungsfähig noch genehmigungsfähig war. Merseburg bleibt deshalb bis auf weiteres in der vorläufigen Haushaltsführung in der alle gesetzlich und vertraglich gebundenen Ausgaben getätigt werden können. Unsere Fraktion wird es aber nicht hinnehmen, das die Stadtverwaltung gegen die Bestimmungen zur vorläufigen Haushaltsführung verstößt. Aufträge wurden ausgelöst und Verträge geschlossen ohne eine haushaltsrechtliche Grundlage. Hier wird die Fraktion SPD-Bündnisgrüne beantragen, dass das Rechnungsprüfungsamt dem Finanzausschuss dazu Bericht erstattet.
 
 
 

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