Ein Versuch zum Streitgespräch - "Die Kennzeichnungspflicht für Beamte der Polizei"

Landespolitik

Die Ortsvereine Merseburg und Schkopau, sowie die Jusos des Saalekreises hatten am 16.3.2012 zur Mitgliedervollversammlung des SPD Kreisverbandes Saalekreis geladen. Thema war der erste Mitgliederentscheid des SPD Landesverbandes Sachsen-Anhalt zum Thema "Die Kennzeichnungspflicht für Beamte der Polizei". Dieses wurde in Form einer Diskussionsrunde zwischen Rüdiger Erben (stellv. SPD-Landes- und Fraktionsvorsitzender) und Martin Trisch (stellv. Juso-Landesvorsitzender), moderiert von Patrick Wanzek (MdL) den zahlreich Anwesenden nähergebracht.

Nachfolgend veröffentlichen wir hier die Berichte zweiter Genossen zu der Veranstaltung.

Matthias Bernstein, OV Merseburg: Zwischen Web 2.0 und Staat 2.0- Gedanken zur Diskussion der Polizeikennzeichnung im Saalekreis Im ganzen Land finden derzeit Veranstaltungen zur Polizeikennzeichnung statt, die die Parteimitglieder aber auch die Öffentlichkeit auf den ersten Mitgliederentscheid zu einem Sachthema innerhalb der SPD Sachsen-Anhalt vorbereiten und aufklären- so auch im Saalekreis. In einer Mitgliedervollversammlung traten Rüdiger Erben, MdL und Martin Trisch, stellv. Juso-Landesvorsitzender in einer Pro-Contra-Argumentation an, um ihre Standpunkte vor zahlreichen Genossinnen und Genossen zu vertreten. Die Veranstaltung wurde durch die beiden Landtagsabgeordneten Dr. Verena Späthe und Patrick Wanzek moderiert und dank vieler Fragen und Statements aus dem Publikum bereichert. Einzig die abschließende Frage, ob die Kennzeichnung von Polizisten nicht schlicht ein Gebot der Zeit sei, muss vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussionen zu den Begriffen Bürgergesellschaft, Transparenz und Freiheit in Verantwortung durch jedes Parteimitglied im Rahmen der Abstimmung persönlich beantwortet werden. Die Besonderheit der Veranstaltung lag demnach weniger im Thema als vielmehr in der Veranstaltungsform. Der Offene Kanal Merseburg-Querfurt e. V. erklärte sich bereit, nicht nur die Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen, sondern die Diskussion aufzuzeichnen und auszustrahlen (auch über das Internet)- das ist ein mutiger Schritt und im Saalekreis ein Novum. Man darf auf die Reaktionen der Bevölkerung und anderer Parteien gespannt sein. Mit Stolz kann die SPD in Sachsen-Anhalt und im Saalekreis sagen, einen großen Schritt in Richtung Bürgernähe, Bürgerbeteiligung und Transparenz gegangen zu sein- ganz im Sinne der Möglichkeiten und Vorbildwirkung des Web 2.0, die quer durch die Gesellschaft diskutiert werden. Leider besteht jedoch auch die Chance, in der Sachfrage eine veränderte Kommunikation und Wahrnehmung zwischen Staatsgewalt und Staatsbürgern zu verpassen. Wie schön wäre doch ein Staat 2.0 … . Anfried Menzel, Kabelsketal: Da gibt es eine Partei in Sachsen-Anhalt, die wagt den Weg der direkten Demokratie. Wie kann das angehen, sollten die Berge der Schweiz uns näher kommen? Der Landesvorstand ruft zum Mitgliederentscheid 'Kennzeichnungspflicht für PolizistInnen' auf. Der Offene Kanal Merseburg bot am letzten Freitag etwas, wie den Jungbrunnen über ein erfrischendes Streitgespräch. Dennoch wurde es eine gewagte Schiffspartie zwischen der Abwägung eines Politikbetriebes und der jugendlichen Freigeisterei der Herausforderung. Mit einer Mitgliederbefragung hat alles begonnen. Die Sozialdemokratie wirft das Tuch der unmittelbaren Abstimmung in den Ring. Wie können sich Argumente bewähren, oder können wir uns im Dialog neu erfinden? So oder ähnlich stellen sich Sozialdemokraten den Fragen nach der Authentizität. Um den Dialog bemühte sich moderierend der Landtagsabgeordnete Patrick Wanzeck. Im Pro und Kontra trafen Martin Trisch und Rüdiger Erben aufeinander. Ein unabhängiger Freigeist trat gegen einen gestandenen Politiker an – nichts in diesen Streitgespräch war vorhersehbar. Im folgenden sollen einige Argumente in der Momentaufnahme wiedergegeben werden. (Die Zusammenstellung wird skizziert nach Gedächtnisprotokoll und ohne Gewähr) Pro – Kennzeichnungspflicht/ Martin Trisch
  • Die Kennzeichnungspflicht ist eine seit Jahren durch die Jusos geforderte Maßnahme
  • das Beispiel von Stuttgart 21 mit seinen Ausschreitungen, wird herangeführt, um die anonymisierte Kennzeichnungspflicht zu begründen
  • die Kennzeichnungspflicht richtet sich nicht im Misstrauen gegen die PolizistInnen als Ganzes, sondern soll auch diesen zur Absicherung der Bürgerrechte in Konfliktsituationen dienen
  • die Polizei hat das Machtmonopol – dem sollte mit der Kennzeichnungspflicht Rechnung getragen werden, als Transparenz gegenüber den Bürgern
  • Polizeikennzeichnung ist in Europa weit verbreitet; in Deutschland sollte man sich den Prinzipien der Dienstleistung und Transparenz öffnen
Kontra – Kennzeichnungspflicht/ Rüdiger Erben
  • Es bedarf keiner Gesetzgebung durch das Parlament; der Innenminister hätte vor einigen Jahren, wo er noch durch die SPD gestellt wurde, sich für die Kennzeichnungspflicht entscheiden können; Hövelmann und Erben entschieden schon damals nach gründlicher Abwägung sich bewusst dagegen
  • in Sachsen Anhalt gibt es gegen PolizistInnen keine Fälle, die durch fehlende Kennzeichnung nicht aufgeklärt wären
  • im übrigen gibt es bereits eine Kennzeichnung bis hinab Mannschaftsgröße von 6 PolizistInnen, die wird am Helm durch grafische Zeichen abgebildet
  • die Realität sieht anders aus; die meisten Einsätze in Sachsen-Anhalt werden im Zusammenhang mit Fußballveranstaltungen und Konzerten der Rechten notwendig und hier wird massiv Gewalt gegen PolizistInnen ausgeübt
  • die Polizei ist in Deutschland eine Andere; vor Ort ist hier Deeskalation Grundprinzip, wobei die Kräfte bei Veranstaltungen immer aus anderen Bundesländern benötigt werden; eine Kennzeichnungspflicht wäre nur für alle Bundesländer gleichermaßen sinnvoll
Soweit der Disput, der im Studio unter Kameras leider zu schnell zu Ende ging. Und das Publikum war durchaus zufrieden, denn auch sie konnten ihre Fragen und Einwände vortragen. Mit Rüdiger Erben hatten die Zuhörer die klaren Argumente der Sachlogik gegen die Kennzeichnungspflicht gehört. Doch der Abend wäre nicht allein dadurch zum Erlebnis geworden, ohne die gelungene Herausforderung im Streitgespräch des Juso-Mitglied Martin Trisch. Man kann sich nur wünschen, dass die Organisatoren dieses dialogische Experiment, wenn auch mit anderen streitbaren Themen, fortsetzen werden. Die Sendung wurde auf der Seite www.okmq.de veröffentlicht.